Jesus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Lukas 6, 36
„Machen wir das Jahr 2021 zum Jahr der Barmherzigkeit! Der Ton im gesellschaftlichen Miteinander wird rauer, die Sprache gröber und die Rufe „Ich, ich zuerst“ unüberhörbarer und lauter. Wenn die vergangenen Monate uns eines gezeigt haben, dann, dass es viele gibt, die Barmherzigkeit gelebt haben: In Krankenhäusern, Pflegeheimen, in der Gemeinde und der Nachbarschaft. Und dass es manche gab, die nicht verstehen konnten, warum sie unter diesen besonderen Umständen Rücksicht nehmen und auf manche Feier oder manchen Urlaub verzichten sollten. Wenn Unverständnis umschlägt in Herabwürdigung oder Verachtung, verkommt unser Miteinander. Ist es nicht tragisch, dass die „sozialen“ Medien heute an vielen Stellen ein Hort für Verschwörungen und Beleidigungen geworden sind? Es scheint, als wäre es allerhöchste Zeit für mehr Barmherzigkeit!
„Richtet nicht“, mahnt Jesus. Richtet nicht, richtet nicht zugrunde, durch lieblose Worte und hasserfülltes Tun. Richtet auf, richtet gerade – im Alten Testament ist das Wort für den Gerechten „jaschar“, das mit „aufrichtig“ übersetzt werden kann. Die Gerechten wären also die, die aufrichten – könnten wir ein schöneres Vorhaben mit in dieses Jahr nehmen?
365 Tage für die Pflege unseres Miteinanders, dafür, dass es von Zärtlichkeit, Anteilnahme, Fürsorge bestimmt sein möge. Zwölf Monate, um Hassreden zu widersprechen und Verachtung Einhalt zu gebieten. Ein Jahr für uns, für unser Herz, um uns von Empfindsamkeit leiten zu lassen.
Ganz der Vater, sagen manche beim Anblick eines Neugeborenen entzückt. Diese Augen! Die Nase! Die hat er von seiner Mama. Wir ähneln unseren Vorfahren, Eltern und Großeltern nicht nur im Äußeren, haben dieselbe Haar- oder Augenfarbe, sondern wir sind auch im Verhalten von ihnen geprägt, denn wir haben von ihnen gelernt und sie nachgeahmt. Wir tragen unsere Eltern und Großeltern in uns, und doch sind wir einzigartig, denn in uns sind die Erbanlagen neu gemischt. Und auch das Verhalten oder die Rituale der eigenen Familie sind nicht unveränderbar. Wir sehen an anderen Familien Beispiele für andere Wege, andere Entscheidungen. Manchmal werden sie uns auch von unseren Kindern oder Enkeln mehr oder weniger fordernd nahegelegt: „Die Eltern von … erlauben das aber!“
Jesus, Gottes Sohn, holt uns hinein in die Familie: Er nennt uns seine Schwestern und Brüder, und so sind wir auch Gottes Kinder, Kinder unseres himmlischen Vaters. Alle, die dazugehören wollen, werden in die Familie aufgenommen. Jesus sagt: Das Haus meines Vaters hat viele Wohnungen. Hier ist Platz für alle! Und: Die Familie soll dadurch erkennbar sein, dass sie liebevoll miteinander umgeht. Menschen sollen hier Güte und Barmherzigkeit erleben – besonders, wenn sie im eigenen Elternhaus Härte oder gar Gewalt kennengelernt haben.
Lukas schreibt auf, wie Jesus sich diese Barmherzigkeit vorstellt: Nicht über andere Menschen zu richten, sogar seine Feinde zu lieben, versuchen, die Gründe für ihr Handeln zu verstehen, auch wenn wir ihr Handeln und seine Gründe nicht akzeptieren können, und abzugeben, zu teilen, was wir haben. Hier in dieser Familie sollen alle spüren dürfen: Hier bin ich angenommen.
Wir alle können üben zu lieben, unsere Fähigkeit zur Barmherzigkeit entwickeln und fördern. Wir sind, wie unsere Eltern und Großeltern waren. Wir sind auch wie unser himmlischer Vater ist.
Amen