1. Sonntag nach Epiphanias

Predigt zu Röm 12, 1-8

Liebe Gemeinde,

„Die Krönung des Ganzen“ oder „das setzt dem Ganzen die Krone auf“ – davon sprechen Menschen, die sich über etwas aufregen oder ärgern. Der Mensch wird manchmal auch ironisch als „die Krone der Schöpfung“ bezeichnet. Alle diese Redewendungen zielen auf das Besondere ab, darauf, dass etwas oder jemand nicht alltäglich ist. So ist es auch mit uns Christinnen und Christen: Heilig sind wir, weil wir zu Gott gehören, weil wir seine Kinder sind. Paulus schreibt an die Römer: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Zu sehen an der Krone des Kindes auf dem Liedblatt.

Genauso wichtig wie die Krone ist mir aber das ansteckende Lachen und die Freude des Kindes. Denn auch über sie schreibt Paulus. Wir haben es in der Lesung unseres Predigttextes gehört: Wer sich um die Notleidenden kümmert, soll Freude daran haben.

Freude zu haben an dem, was man tut: Das habe ich auch mit Aktivitäten erlebt, die durch Corona in veränderter oder neuer Weise ins Leben gerufen wurden. Es war eine Freude, dass so viele ihre Gaben, Fähigkeiten, Kreativität und Begeisterung eingebracht haben, unser Miteinander belebt und dafür gesorgt haben, dass zwar nicht alles miteinander, aber viel füreinander möglich war. Einer oder eine allein hätte das nicht bewerkstelligen können. In allem kam eine Wertschätzung der Mitmenschen zum Ausdruck, ein Gespür für die Bedürfnisse und Wünsche: Der Jugendkreis gestaltete und verteilte einen Osterbrief, die Konfirmation konnte stattfinden, Organistinnen, Sängerinnen, Bläserinnen und Bläser musizierten auch unter erschwerten Bedingungen, und kurz vor Weihnachten kam unser Advents- und Weihnachtsbuch mit zahlreichen Beiträgen von Gemeindegliedern und Gruppen, über das sich viele freuten.

Um für Klein und Groß, Alt und Jung etwas anbieten zu können, braucht man viele Köpfe, Herzen und Hände, die miteinander verbunden und auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind. Paulus beschreibt es als Zusammenspiel verschiedener Körperteile: Jedes hat seine besondere Fähigkeit. Alle zusammen sorgen dafür, dass der Körper funktioniert. In unserem Predigttext spielt Paulus darauf an, wenn er die Gemeinde in Rom aufruft, sich als auf diese Weise miteinander verbunden zu betrachten. Alle sollen Raum haben, um ihre Begabungen und Fähigkeiten einzubringen, keiner soll befürchten müssen, dass andere in seinen Aufgabenbereich eingreifen.

Paulus erinnert daran, sich selbst zurückzunehmen, sich nicht selbst als wichtiger einzuschätzen als die anderen, „überschätzt euch nicht, traut euch nicht mehr zu als angemessen ist, und strebt lieber nach nüchterner Selbsteinschätzung“, rät er der Gemeinde in Rom. Wir vielen Menschen, die zu Christus gehören, bilden einen Leib, erklärt er, doch obwohl wir zusammengehören, haben wir verschiedene Gaben.

Der Besuch der sonn- und feiertäglichen Gemeindegottesdienste wird vorausgesetzt, der Gottesdienst umfasst das ganze Leben. Wert gelegt wird auf vernunftgemäßes und bescheidenes Denken und ein angemessenes Selbstverständnis, ohne jede Überheblichkeit, ohne das Gefühl, zu Höherem berufen zu sein und das immer wieder zeigen oder sagen zu müssen: Genau die Haltung, mit der Josef seinen elf Brüdern entgegentrat und die sie gegen ihn aufbrachte.

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder, erklärt Paulus in Kapitel 8, Vers 23, unserem Wochenspruch. Gottes Geist hilft uns, als Christen in der Welt zu leben, aber uns nach anderen Werten auszurichten. Passt euch nicht dieser Zeit an, ruft Paulus die Gemeinde in Rom auf: Übernehmt nicht Maßstäbe und Logik der Umwelt. Wie aktuell diese Bitte ist, erleben wir verstärkt durch Klimawandel und Corona-Pandemie. Langsam gewinnt die Erkenntnis, dass das Denken vom unbegrenzten Wachstum zerstörerische Folgen hat, breiteren Raum. Der Schutz und die Bewahrung der Schöpfung, das Wissen, dass die Natur uns ihre Gaben schenkt, dass wir abhängig sind von der Beschaffenheit des Bodens, dem Wetter, dass wir nachhaltig und schonend mit der Natur umgehen müssen, sind Grundkonstanten christlichen Denkens und Handelns, die dem Credo von Machbarkeit und rücksichtloser Ausbeutung der Ressourcen widersprechen.

Die Bezeichnung „Human Resources“ für die Personalabteilung, die sich in international tätigen Großunternehmen etabliert hat, fand und finde ich insbesondere vor dem Hintergrund der Gotteskindschaft jedes Menschen eine entwürdigende und gefühllose Redeweise. Wenn Mitmenschen und Mitarbeiter als Humankapital oder Ressource betrachtet werden, steht die Produktivität einer Person an zentraler Stelle. Diese Form von Wert-schätzung ist ganz entgegengesetzt zu der, die Paulus im Sinn hat: Ein Mensch hat seinen Wert dadurch, dass er oder sie in Verbindung mit Gott steht. Das meint Paulus mit „heilig“.

Gottes Geist will uns helfen, indem er treibt, uns bewegt und unser Denken nach einer neuen Logik ausrichtet: Was erfreut und gefällt Gott und Mitgeschöpfe? Gebraucht euren Verstand in einer neuen Weise und lasst euch dadurch verwandeln, regt Paulus an. Der Geist Gottes hilft bei der Beurteilung, ob eine Sache gut und gottgefällig ist. Die die letzten Verse unseres Predigttextes laufen mit konkreten Vorschlägen auf die Nächstenliebe zu.

Paulus führt sieben verschiedene Gaben konkret aus, ohne sie zu bewerten – jedenfalls, wenn wir nicht die Reihenfolge als Rangfolge auffassen wollen. Alle Gaben, ob die Begabung, die Schrift auszulegen, die Gabe zu lehren, Mut zuzusprechen und zu trösten, die Begabung zur Diakonie sind von Gott geschenkt, erklärt Paulus.

Wer sich engagiert, ob in Verein oder Kirche, weiß: Man ist eingebunden in Beziehungen, Menschen kennen und schätzen einen. Die Verbundenheit ermöglicht Momente der Freude und des Erfülltseins: Jemand freut sich, dass ich da bin oder darüber, was ich tue. Ich kann mit meiner Anwesenheit, einer Idee oder einem Gedanken etwas verändern, ermutigen oder anderen Freude machen.

Oft habe ich bei allem Überlegen, Formulieren und Gestalten gemerkt: Es war immer ein erfüllendes Gefühl, mit anderen zusammen auf dem Weg zu sein, miteinander etwas aufzunehmen, zu gestalten, zu musizieren, zu basteln oder zu planen.

Meine Grundschüler bastelten vor Weihnachten für die Bewohnerinnen des Seniorenzentrums in Würtingen und malten sich die Freude aus, die ihre Aufmerksamkeit auslösen würde. Zwar war es in Zeiten von Corona nicht einfach, die Basteleien ins Seniorenzentrum zu bringen, aber auch hier half es wieder, dass in einer Gemeinde immer jemand jemanden kennt, der helfen kann.

Paulus‘ Worte stehen unter der Überschrift: Das Leben als Dienst für Gott. Der Dienst an Gott umfasst jeden einzelnen Tag und soll zu einem erfüllten, erfüllenden und Freude schenkenden Miteinander verhelfen. In diese Richtung zielt die Geschichte eines unbekannten Verfassers:

Ein Geschäftsmann kam zum Meister und fragte ihn nach dem Geheimnis eines erfolgreichen Lebens. Da antwortete der Meister lächelnd: „Mach jeden Tag einen Menschen glücklich!” Und schließlich fügte er hinzu: „Auch wenn dieser Mensch du selbst bist.“ Wieder eine kleine Pause. Dann sprach der Weise: „Vor allem dann, wenn dieser Mensch du selbst bist!“

Amen