2. Sonntag nach Epiphanias

Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias (17. 1. 2021) zu Joh 2, 1-12

Liebe Gemeinde,

Bei Hochzeiten ist so vieles zu bedenken und zu planen, dass es viele Möglichkeiten für Pannen gibt. Ich erinnere mich an eine Stretch-Limousine, die nicht durch schmale Gässchen passte, wodurch die Braut einen ungeplanten Sprint zur Kirche einlegen musste, einen Käfer, der bei einer Hochzeit plötzlich auf dem Kopf der Braut umherkrabbelte und sich allen Versuchen, ihn unauffällig zu entfernen, energisch widersetzte, an eine auswärtige Braut, die ihre Schuhe vergessen hatte und spontan einen Ausflug nach Metzingen unternehmen musste, an Eheringe, die ein kleiner Junge vor lauter Panik hoch in die Luft warf, und ein Ringkissen, auf dem die Ringe so festgebunden worden waren, dass die verknoteten Bänder nicht mehr zerstörungsfrei gelöst werden konnten.

Angesichts dieser Ereignisse beruhigt mich die Bibel: Wenn Jesus auf einer Hochzeit mitfeiert oder von einer Hochzeit erzählt, passiert auch immer etwas Ungeplantes. Ein Teil der Brautjungfern ist schlecht vorbereitet, das erzählt Jesus in Matthäus 25. Eingeladene Gäste schlagen die Einladung nicht nur aus, sondern ermorden auch den Boten, davon erzählt er in Matthäus 22. Wer doch kommt, sitzt womöglich am falschen Platz – in Lukas 14, 7 – und was wahrscheinlich der Alptraum jedes Brautpaars ist: Dass die Stimmung leidet, weil nicht ausreichend Getränke und Essen da sind. Niemand möchte gern als geiziger Gastgeber gelten.

Den letzten Schritt zur Rettung und Vollendung des Festes tut Jesus, aber viele vorletzte Schritte auf dem Weg bleiben anderen vorbehalten: Maria sieht die Not des Brautpaares und weist Jesus darauf hin, dass er eingreifen soll. Jesus wurde eingeladen, vom Bräutigam, der Braut oder den Eltern. Und auch nachdem Jesus alles zum Guten gewendet hat, müssen wieder andere Menschen handeln: Sie füllen den Wein in Becher und Krüge und bringen ihn zu den Gästen.

Knapp 30 Jahre lang lebte Jesus laut Johannes unauffällig – zumindest erzählt er nicht vom Gegenteil – in Nazareth, bevor er einige Männer und Frauen um sich scharte. Schließlich offenbart sich Jesus zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit auf der Hochzeit in Kana. Er ist anscheinend mit seiner Familie, zumindest aber mit seiner Mutter Maria, eingeladen. Und Maria ist wichtig für die Lösung des Problems, mit dem sich das Brautpaar auseinandersetzen muss. Sie fordert Jesus auf zu handeln und bleibt hartnäckig, bis er das Problem aus der Welt geschafft hat.

Maria scheint aufmerksam wahrzunehmen, was um sie her geschieht. Schon bei der Geburt Jesu berichtet Lukas von dieser Eigenschaft: Maria sieht und hört, was geschieht und was gesprochen wird und bewegt alles in ihrem Herzen, behält in Erinnerung, was geschehen ist. Die Ankündigung der Engel, von der die Hirten erzählen, dass der Heiland der Welt geboren ist, die Ereignisse der Nacht in Bethlehem. Auch Johannes beschreibt Maria als aufmerksam und einfühlsam. Sieht sie betrübte oder bestürzte Gesichter, als Becher leer bleiben? Hört sie, dass die Nachricht die Runde macht: „Es gibt keinen Wein mehr!“ und die weinselige Festfreude einer gewissen Bestürzung und Ernüchterung weicht? Sie macht ihren Sohn darauf aufmerksam: „Sie haben keinen Wein mehr.“

Hier ist es sehr unordentlich. Hier liegt aber viel rum. In Marias Satz steckt wie in den beiden anderen Sätzen ein Appell: Unternimm was dagegen! Ändere es! Und Jesus reagiert ähnlich begeistert wie Kinder oder Jugendliche, die aufräumen, ihr Bett oder ihre Hausaufgaben machen sollen. Zunächst weicht er aus, indem er, wie auch als Zwölfjähriger im Tempel, Maria nicht als Mutter, sondern als „Frau“ anspricht und ihr zu verstehen gibt: Du hast mir nichts zu sagen, dann, ein wenig eleganter und vielleicht versöhnlicher, erklärt er, dass seine Stunde noch nicht gekommen sei. Etwas später handelt er dann so, als hätte er von Anfang an vorgehabt, Marias Bitte zu entsprechen, und folgt dem mütterlichen Appell.

Maria erscheint sehr souverän. Den Affront ihres Sohnes nimmt sie beide Male gelassen hin, protestiert nicht, reagiert nicht wütend, schimpft nicht und dringt nicht weiter auf Jesus ein, weder auf den Zwölf- noch auf den 30-jährigen. Sie scheint darauf zu vertrauen, dass „noch nicht“ bedeutet, dass Jesus auf jeden Fall handeln wird, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Sie wendet sich an die Diener und fordert sie auf, auszuführen, was ihnen Jesus auftragen wird.

Maria glaubt an ihren Sohn, glaubt, dass er helfen kann. An zu wenig Wein wird niemand körperlich Schaden nehmen, wenn dem Zustand nicht schnell abgeholfen wird – eher könnte man es umgekehrt betrachten. Aber der Ruf des Brautpaars, die Festfreude, wird leiden, und das möchte Maria gern vermeiden.

Interessant finde ich, wie Maria trotz Jesu schroffer Zurückweisung vertraut. Den Knechten sagt sie: Tut, was er sagt. Nicht umgekehrt, so wie wir Menschen es uns manchmal vorstellen oder wünschen, wenn wir Gebet und Gebetserfüllung eng zusammendenken und und es uns eher andersherum erhoffen: Was ihr sagt, das tut er. Jesus macht durch seine Worte an Maria klar: So funktioniert es nicht, wenn Menschen sich hilfe- oder ratsuchend an Gott wenden. Wir sagen, was wir möchten, und Gott erfüllt unser Anliegen. Das wäre wie bei einem Automaten. Marias Worte an die Knechte zeigen: Es ist umgekehrt. Wir bringen ein Anliegen im Gebet vor Gott, dann warten wir ab, was Gott tut oder uns wissen lässt.

Maria vertraut fest darauf, dass Jesus handeln wird. So fest, dass sie den Dienern schon einen Hinweis gibt, bevor Jesus tätig geworden ist. Sie hat ihre Last und ihr Anliegen an ihren Sohn abgegeben, nun kann sie gelassen abwarten, was geschieht, wissend oder vielleicht eher vertrauend, dass Jesus etwas tun wird, um dem Brautpaar zu helfen. Was Maria tun kann, hat sie getan, und alles Weitere in die Hand ihres Sohnes gelegt.

Maria ist eine mitfühlende Frau. Sie sieht die Notlage der Gastgeber und möchte helfen, eine Aufgabe, die für sie allein zu groß ist. Wie sollte Maria ganz allein genügend Wein, so viele Fässer herbeischaffen, dass es für so viele Gäste bei einem Fest ausreicht? Das kann sie nicht. Aber was sie tun kann, um zu helfen, tut sie: Sie macht Jesus aufmerksam und überlässt ihm, was sie nicht bewältigen kann. Auch hier bewundere ich Marias Gelassenheit, abwarten und die Kontrolle abgeben zu können. Was Maria von Anfang an auszeichnet, ist ihr Vertrauen. Als ihr der Engel eröffnet, dass sie einen Sohn zur Welt bringen wird, ist sie erstaunt, aber vertraut auch da ganz Gott.

Eigentlich tut Maria insgesamt nicht viel: Sie gibt Jesus einen Hinweis, nimmt seine Zurückweisung hin und gibt den Dienern einen Hinweis. Alles andere tut Jesus, er vollendet, was sie mit ihrem Hinweis begonnen hat. Maria wartet, und bei der ungleich herausfordernderen Situation vor Jesu Geburt wartet sie ebenso gelassen ab, was und wie Gott tun wird. Maria lebt uns gelassenes Abwarten vor, Erwarten des Zeitpunkts, an dem Gott handelt, denn sie ist ja sicher, dass Jesus handeln wird, so sicher, dass sie die Diener sofort darauf aufmerksam macht, dass Jesus ihnen etwas sagen wird.

Die, die das Wunder miterleben, staunen, glauben und erzählen weiter, was sie erlebt haben, erzählt Johannes. Weitererzählen, weitertragen, was Jesus über Gott offenbart hat: Auch dazu will uns die Geschichte vom Wunder auf Hochzeit von Kana ermutigen. Wir beten, bekennen unseren Glauben, sagen uns gegenseitig gute Worte zu, teilen Erfahrungen mit Gott miteinander, geben Halt, machen Mut, zu vertrauen, und helfen auf diese Weise einander dabei, gelassen abzuwarten und dadurch Gott Raum für sein Handeln zu eröffnen, anstatt selbst alles im Griff und unter Kontrolle haben zu wollen. Was er euch sagt, das tut, sagt Maria den Dienern. Ihre Worte gelten auch für uns. Aber auch in umgekehrter Reihenfolge gelten uns ihre Worte: Was er euch tut, das sagt – auch das ist unsere Aufgabe.

Amen