2. Advent

Liedpredigt zu „Maria durch ein Dornwald ging“ am 2. Advent 2020

Liebe Gemeinde!

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht – in ganz besonderer Weise fasst dies ein Lied, heute ein beliebtes Adventslied, ursprünglich ein Wallfahrtslied, in Worte. Woran merken und erkennen wir, dass die Erlösung nahe ist? Das Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ nimmt ein Wort des Propheten Jesaja auf:

Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.

Jes 55, 13

Etwa 70 dornige oder stachlige Pflanzen kennt und kannte man in Israel. 20 von ihnen werden in der Bibel erwähnt, Dornen oder Stacheln werden dort 44mal genannt. Zu den bekanntesten Erzählungen gehört die von Mose, dem Gott in einem brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch begegnet. Ein Dornenkranz wie die Dornenkrone, mit der die Soldaten Jesus verspotten, liegt an Karfreitag auf dem Altar und führt uns ohne Worte ganz eindrücklich vor Augen, was Jesus für uns Menschen auf sich genommen hat. So weist auch das Lied auf Karfreitag und Ostern hin.

Die Dornen, von denen die Bibel spricht, wurden schon immer mit Mühsal, Verfall, Minderwertigkeit und Lebensfeindlichkeit in Verbindung gebracht. Dornen waren nutzlos, Äcker oder Flächen, die von Dornen und Disteln überwuchert wurden, waren für den Ackerbau oder die Viehhaltung nicht mehr zu gebrauchen oder mussten unter großer Mühe und unter Inkaufnahme von Verletzungen wieder von den Dornen befreit werden. So bekommen wir eine Vorstellung davon, was der Dichter des Liedes „Maria durch ein Dornwald ging“ uns sagen will, indem er Maria in der ersten Strophe den mühsamen und schmerzhaften Weg durch einen von Dornen überwucherten, seit sieben Jahren laublosen Wald gehen lässt. Hören wir die erste Strophe:

1 Maria durch ein‘ Dornwald ging. Kyrieleison!
Maria durch ein‘ Dornwald ging,
der hatte in sieben Jahr’n kein Laub getragen!
Jesus und Maria.

Sieben Jahre sind in der Bibel immer eine wichtige Zahl. Gottes Schöpfungswerk wurde in sieben Tagen vollendet, Josef prophezeit dem Pharao sieben fette und sieben magere Jahre, Gott schickte dem Pharao und den Ägyptern sieben Plagen, bevor Mose das Volk Israel aus Ägypten hinausführen konnte, und im Buch der Offenbarung gehen sieben Sendschreiben an sieben Gemeinden und der Seher Johannes sieht ein Buch mit sieben Siegeln. Sieben Jahre leblos und ohne Laub, aber jetzt schenkt Jesus neues Leben und erlöst vom Tod. Hören wir die zweite und die dritte Strophe:

2 Was trug Maria unterm Herzen?
Kyrieleison!
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.

3 Da haben die Dornen Rosen getrag’n;
Kyrieleison!
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen!
Jesus und Maria.

Das Lied erzählt, stelle ich mir vor, von Marias Besuch bei Elisabeth, ihrer Verwandten, von dem Lukas in Kapitel 1 in den Versen 39 bis 56 berichtet. Maria ist im Lied ja offensichtlich allein unterwegs, will sagen: Ohne Josef. Aber Jesus ist bei ihr, das Ende jeder Strophe „Jesus und Maria“ betont die enge Verbindung und das Einssein von Mutter und Kind, und durch den noch ungeborenen Jesus erfüllt sich Jesajas Weissagung, dass das Unfruchtbare und Tote mit neuem Leben erfüllt sein soll.

„Da haben die Dornen Rosen getragen“: Seit alter Zeit ist die Rose das Symbol der Liebe. So lässt auch der Maler Sieger Köder in einem seiner Bilder Jesus als Rose aus einem Stamm entspringen, die Rose als Sinnbild Bild für Gottes Liebe. Die neueren Fassungen des Liedes, die seit etwa 1910 bekannt sind, enden mit der dritten Strophe. In der ursprünglichen Fassung folgen weitere Strophen, die unter anderem eine weitere Prophezeiung des Jesaja aufgreifen. Dort lesen wir in Kapitel 11, 1: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seiner Wurzel bringt Frucht“. Isais Sohn ist David. Von jeher brachte die Kirche das Reis, also den jungen Trieb, mit Jesus und seiner Menschwerdung in Verbindung: „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart“, singen und hören wir Jesajas Worte in einem alten Weihnachtslied.

Der Messias, der Erlöser, kommt aus Davids Stamm. Deshalb antwortet das Lied in der vierten Strophe auf die Frage, wie das Kind heißen solle: „Der Name, der soll Christus sein, das war von Anfang an der Name sein!“ Das griechische Christos ist die Übersetzung des hebräischen Maschiach, der Gesalbte, der Messias. Erwähnt wird die Bezeichnung Christus bei Matthäus im Stammbaum Jesu im ersten Kapitel seines Evangeliums zum ersten Mal: Josef, den Mann Marias, von welcher Jesus stammt, der Christus genannt wird, überliefert Matthäus in Vers 16. Hören wir die vierte Strophe:

4 Wie soll dem Kind sein Name sein?
Kyrieleison!
Der Name, der soll Christus sein,
das war von Anfang der Name sein!
Jesus und Maria.

Die beiden folgenden Strophen erzählen von der Taufe Jesu durch Johannes und dass Jesus von Gott Vollmacht erhält, dass er „nicht …die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde“. So schreibt Johannes in Kapitel 3, Vers 17. Die Aussage im letzten Vers, dass Jesus, im Lied als „Christkindlein“ benannt, der Erlöser ist, greift den Lobpreis des Zacharias nach der Geburt des Johannes in Lukas 1, 68 auf: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk.“ Hören wir die Zusage der siebten und letzten Strophe: Jesus hat die Welt erlöst. Amen

7 Wer hat erlöst die Welt allein?
Kyrieleison.
Das hat getan das Christkindlein,
das hat erlöst die Welt allein!
Jesus und Maria.