1. Advent

Predigt zu Sacharja 9, 9-10 am Ersten Advent 29. 11. 2020

Liebe Gemeinde,

Der erste Advent ist eine Einladung zur Freude und sie erreicht uns über Augen, Ohren und Nase: Zum Advent gehören Tannengrün und Kerzenschein in der Dunkelheit, der würzige Duft einer Räucherkerze oder der Geruch von Zimt in Plätzchen. Und für mich gehört ein Musikstück zum Advent, das Lied: Tochter Zion, freue dich! Es nimmt die Worte des Propheten Sacharja auf, der seine Landsleute einlädt, sich zu freuen, die gerade erst aus dem Exil und in ein kriegszerstörtes Jerusalem zurückgekehrt sind: Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze!

Ein Gerechter kommt und ein Helfer, sanft und arm, und er zieht ein auf einem Esel. Die Herrschaft Gottes ist eine andere, er regiert anders als die Mächtigen dieser Welt. Hier und anderswo sind viele enttäuscht von den Regierenden und den Machthabern, in Belarus, Syrien, im Libanon, in vielen Ländern Afrikas haben die Menschen gelernt, nichts mehr von den Machthabern zu erwarten, jedenfalls nichts Gutes.

In solche Müdigkeit, Resignation, Verzweiflung und hilflose Wut hinein spricht der Predigttext und kündigt einen an, der wirklich Frieden bringt, wirklich gerecht ist und wirklich hilft. Ohne dass er eigene Interessen verfolgt, ohne Machtstreben. Wer Friede will, zeigt dieser König, muss abrüsten. Und er muss damit beginnen, kann nicht warten, bis sich die andere Seite zu einem Waffenstillstand bereiterklärt. Wer wahren Frieden will, muss alle Waffen und alle Macht ablegen und sich angreifbar und wehrlos machen. Gott kommt als kleines Kind, wehrlos und hilflos.

Für uns Christinnen und Christen ist die Prophezeiung des Sacharja etwa 200 Jahre später mit Jesus Christus in Erfüllung gegangen. Matthäus berichtet, wie Jesus auf einer Eselin in Jerusalem einzieht. Und der den Frieden verwirklicht, nicht indem er die Mächtigen besiegt, sondern der der Gewalt widersteht, indem er nicht zurückschlägt. Macht wird durch Ohnmacht besiegt, Gewalt durch Freundlichkeit und Liebe überwunden.

Eine Einladung zur Freude drücken die Lieder aus, die zum ersten Advent gehören. Wie soll ich dich empfangen? fragt Paul Gerhard. Wie dir begegnen? Gott kommt, um auch mein Herz mit seiner Freundlichkeit zu erfüllen, zu heilen, was mutlos ist, voller Groll oder einfach zu müde oder zu bequem, um etwas zu verändern.

Gerade in diesen Zeiten erinnert uns die Bibel daran: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Dieses Bibelwort richtet sich nicht nur an Ehe- und Brautpaare, sondern an uns alle. Für niemanden ist es gut, allein zu sein. Jeder braucht andere Menschen um sich, jedem tut es gut, erinnert zu werden: Du bist nicht allein.

In der Begegnung mit anderen leuchtet immer auch Freude auf, weil der andere eben anders ist, Ideen hat, auf die man selbst nicht kommt. Neulich hatte eine Viertklässlerin Geburtstag, und als ich gratulierte, sagte ich: Normalerweise würden wir jetzt „Viel Glück und viel Segen“ für dich singen, aber das geht ja gerade leider nicht. Da meinten die anderen Kinder: Aber wir dürfen doch summen! Also haben wir mit vereinten Kräften ein Ständchen gesummt. Das war allein deshalb schon lustig, weil wir alle hinterher sehr rot im Gesicht waren – so zu summen, dass es trotz der Maske hörbar ist, strengt mehr an als zu singen… es war schön, über sich selbst lachen zu können. Auch das ist eine Einladung zur Freude: Fehlerfreundlich zu denken und zu handeln.

Manches klappt nicht, besonders in diesen corona-geplagten Zeiten. Am Mittwoch wollte ich meine Schülerinnen und Schüler abholen, was wir seit Schuljahresbeginn müssen, und sie waren nicht am Sammelplatz. Und als ich dastand und den Schulhof absuchte, dachte ich entsetzt: Oh nein, sie sind schon wieder in Quarantäne! Wen habe ich in den letzten zehn Tagen getroffen, wen muss ich alles anrufen? Da kam zum Glück einer meiner Schüler und meinte freundlich: „Frau Pfitzer, ich komme Sie abholen! Wir haben einen neuen Sammelplatz, wussten Sie das nicht?“ Ich habe mich freuen können, dass ich nicht vergessen wurde und dass wir – für dieses Mal – einer Quarantäne noch einmal entgangen sind.

Ich freue mich, dass der Konfirmandenunterricht auch in ungewohnter, neuer Weise funktioniert, dass wir zusammenfinden und ihr nicht entmutigt aufgebt. Ich bin froh und dankbar, euch als Konfigruppe zu haben und freue mich darauf, uns irgendwann auch wieder „richtig“ treffen zu können.

Normalerweise freuen wir uns auf, über oder an etwas. Die Freude, die Jesus als König der Freundlichkeit mit sich bringt, ist eine Freude in: In Gott kann ich mich freuen, auch wenn nicht alles perfekt ist und manche Wünsche unerfüllt bleiben. In Gott kann ich mich freuen, weil ich Freundlichkeit und Liebe von meinen Mitmenschen erfahren darf: Darin zeigen sich die Liebe und der Friede, den Gott schenkt. In Anrufen, Karten, Segenswünschen, Geschenke und Gaben, die von Herzen kommen und mir zeigen: Ich denke an Dich!

Joachim Ringelnatz wusste, wie man seinen Mitmenschen Freude machen kann: Durch sich selbst. Wir sind alle Friedens- und Freudenboten, wenn wir auf seinen Rat hören:

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
was in Dir wohnt
an Meinung, Geschmack und Humor,
so dass die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.
Schenke mit Geist, ohne List.
Sei eingedenk, dass Dein Geschenk
Du selber bist.

Amen