3. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Gemeinde,

Neulich fiel mir zufällig ein Tuch in Regenbogenfarben in die Hände. Es stammt von den Ostermärschen, an die ich mich dunkel erinnern kann, mit Schal, Gummistiefeln an der Hand von Mutter oder Vater neben dem Kinderwagen mit einem meiner Geschwister hergehend.

Jetzt ist der Regenbogen durch Corona wie damals als Symbol der Hoffnung auf eine bessere Zukunft wieder überall zu sehen. Schulen und Kindergärten haben Regenbogen gestaltet, Kinder haben die Fenster ihres Zuhauses mit Regenbögen, Wolken und lachenden Sonnen verschönert, und für den Gottesdienst heute habe ich die Konfirmandinnen gebeten, ob sie nicht auch auf verschiedenfarbigen Zetteln aufschreiben möchten, wofür sie in den letzten Wochen und Monaten dankbar waren und auf Regentropfen aufzuschreiben, was ihnen auf dem Herzen liegt.

Ich bin berührt und begeistert, was aufgeschrieben wurde: Dankbarkeit für alle Pflegekräfte und die anderen, die trotz Corona die Stellung gehalten haben, Freunde und Familie, für das allgemeine Verständnis für die Situation, für die bestmögliche Unterstützung von allen Seiten, Dankbarkeit auch für den Schulanfang, dass man Freundinnen und Freunde wiedersehen kann, und für das schöne Wetter, das es erlaubt, sich – im richtigen Abstand – draußen unter freiem Himmel zu treffen. In Gedanken sind die Konfirmandinnen bei ihren Großeltern, die sie gern ohne Angst vor Ansteckung wiedersehen würden, und bei denen, denen es wegen Corona gerade nicht gut geht, die sich einsam fühlen oder an Covid-19 erkrankt sind. Für mich selbst habe ich aufgeschrieben, wie dankbar ich bin, dass hier alle rücksichtsvoll und mit großem Verständnis miteinander umgehen, wie alle hier an einem Strang ziehen und miteinander kooperieren.

Alles zusammen gibt mit unseren Regentropfen – das Vermissen von Umarmungen, nicht stattfindende Konzerte, Treffen mit Freunden und Familienfeiern, bei denen sich alle sehen können, ganz normale Fußballspiele, die Notwendigkeit, den richtigen Abstand einzuhalten, die Traurigkeit, auf gemeinsames Singen und auf Zeichen und Gesten der Nähe verzichten zu müssen – einen bunten Regenbogen.

Noah und seine Familie sind nach der Erzählung im 1 Buch Mose die einzigen, die gerettet werden. Gott setzt allein seinen Bund fest­, mit einer Erklärung, mit der er sich selbst bindet. Wir Menschen sind nicht Bündnis­partner, sondern schlicht Begünstigte und Beschenkte.

Gott „setzt“ oder „schneidet“ den Bund, heißt es wörtlich im Hebräischen. Wenn Gott einen Bund schließt, ist es eine ganz einseitige Sache. Wir Menschen kommen dabei passiv vor. Deshalb nennt man Gottes Bund auch „Testa­ment“; denn das beschreibt dasselbe: Eine feierliche Willens­erklärung und Selbst­verpflich­tung zugunsten anderer, die davon nicht einmal unbedingt wissen müssen.

Gott verpflichtet sich mit seinem Bund dazu, keine weitere Sintflut zu schicken und nie wieder so zu strafen, wie er es in den Tagen Noahs getan hat. Dieser Entschluss ist verlässlich, denn Gott selbst besiegelt ihn mit seinem Bund, seinem Testament. Er gilt bis heute, denn Gott hat ihn mit uns geschlossen wie mit allen Nachkommen Noahs. Es gab und gibt Sturmfluten und Über­schwemmun­gen, aber eine so große Flut soll und wird es nicht mehr geben, dass bis auf eine Familie alle Menschen umkommen.

Gott schließt den Bund nicht in der Hoffnung, dass die Menschheit sich verändert habe durch die Flut, dazu kennt Gott uns Menschen zu gut. Er sagt ganz offen zu Noah: „Das Dichten und Trachten des mensch­lichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Aber Gott resigniert auch nicht und wendet sich von der Menschheit ab. Die folgenden Seiten der Bibel beweisen das Gegenteil, nämlich dass Gott sich immer wieder um seine Geschöpfe kümmert.

Es gibt einen Grund für diesen Gottesbund, der klar in der Bibel bezeugt ist: Gott liebt uns Menschen. Er schenkt Gnade und Barm­herzig­keit, ohne dass es irgend­jemand verdient hat. Liebe Gemeinde, Gottes Bund mit Noah ist Gottes Liebes­erklärung an jeden und jede von uns.

Gott wählt den Regenbogen, um sich selbst an seinen Bund zu erinnern. Auch für uns dient der Regenbogen als Zeichen, aber die Bibel sagt interes­santer­weise noch etwas anderes: „Wenn es kommt, dass ich Wetter­wolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe.“ Gott erinnert sich mit dem Regenbogen also selbst an seinen Bund; oder vielleicht eher: Er zeigt, dass er sich verlässlich an seine Zusage erinnert.

Der Regenbogen ist das Zeichen des Friedens und der Hoffnung, und er erinnert uns daran, dass Gott sich selbst verpflichtet hat, nie wieder die ganze Menschheit zu strafen. Gott schloss noch mit anderen einen Bund, mit Abraham, den er zum Stammvater des Volkes Israel machte, mit Mose, der sein Volk aus der Gefangenschaft in Ägypten herausgeführt hat. Israel erlebte immer wieder Zeiten der Not und der Gefahr, durch Hunger, Krieg oder Gefangenschaft. Gleichzeitig hielt Gott seine Versprechen auch dann ein, wenn die Menschen zweifelten oder ihm nicht mehr glaubten. Die Israeliten erlebten trotz aller Zweifel und aller Anfechtungen, dass Gott sie ins Gelobte Land führte, wie er es versprochen hatte.

Gott schloss noch einen weiteren Bund mit uns Menschen, in seinem Sohn Jesus Christus. Auch für diesen Bund hat uns Gott Zeichen gegeben: Die Taufe und das Abendmahl. Im Moment können wir nur unter größten Einschränkungen taufen und nicht Abendmahl feiern. Aber die Erinnerung an unsere Taufe ruft uns ins Gedächtnis: Gott steht zu seinem Bund, seinem neuen Testament, seiner Selbstver­pflichtung, er ist verlässlich und ändert seine Meinung nicht. Ich kann sicher sein, dass ich zu Gott gehöre und selig werde, auch wenn die Welt und meine Zweifel mir etwas anderes nahelegen wollen. Martin Luther, heißt es, soll es sich aufgeschrieben haben, für die Momente, in denen ihn seine Ängste überwältigen wollten: Ich bin getauft!

Stärken wir unser Vertrauen mit dem Blick auf das erste Bundeszeichen, das uns Gott geschenkt hat, den Regenbogen, als Zeichen des ersten Bundes mit uns Menschen. Einen Bund, den Gott bis heute verlässlich und treu gehalten hat, wie er auch die anderen Zusagen, zu deren Erfüllung und Einhaltung er sich selbst verpflichtet hat, alle eingehalten hat. Die Italiener schrieben unter ihre Regenbögen: Tutto va bene, alles wird gut. Oscar Wilde war es, der sagte: Am Ende ist alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Wir wissen, dass die Corona-Krise noch nicht beendet ist, aber wir wissen, dass es gut wird – in dieser oder der nächsten Welt. Gott hat es uns versprochen, und was er verspricht, hält er ein.

Amen