Der Tod hat nicht das letzte Wort

16. Sonntag nach Trinitais – 27. September 2020

Liebe Gemeinde!

Wind kannst du nicht sehen, so beginnt ein Kirchenlied. Spüren kann man ihn auf jeden Fall: Mit einem entsprechend großen Drachen und starkem Wind hat mein Mann vor einigen Jahren einen Flug erlebt und wurde einige Meter fortgetragen. Den Heiligen Geist stelle ich mir so vor: Als Getragenwerden, als Kraft, die mich aufhebt und trägt.

Wir brauchen diese Kraft besonders dann, wenn wir selbst mutlos und kraftlos, traurig oder einsam sind. Erfahrungsgemäß erleben wir diese Gefühle im Herbst häufiger: Licht und Wärme schwinden, oft bläst uns kalter Wind entgegen. Vieles belastet und ängstigt uns: Die Unsicherheit, ob und wann wieder stärkere Einschränkungen kommen, Krankheit, das Warten auf eine Diagnose, die Trennung von Angehörigen – beim Einkaufen beklagte eine Frau, dass sie ihre Enkelkinder in Österreich seit 5 Monaten nicht habe besuchen können, der Tod, der uns mit seiner Endgültigkeit, dem Nie-Wieder, lähmt.

Verletzlichkeit, Unsicherheit, Endlichkeit: Was schenkt Trost und Hoffnung? In unserem Predigttext aus 2 Tim 1 ist die Antwort des Verfassers: Christus bringt ein unvergängliches Wesen ans Licht. Gerade jetzt, in kühler und dunkler werdenden Tagen, wird unser Blick auf Ostern und die Auferstehung gelenkt! Christus nimmt uns mit sich ins Licht des Ostermorgens: Was hier endet, wird dort von Gott vollendet. Und dieses Wissen gibt Kraft, Belastendes auszuhalten. Gottes Geist befreit, ist wie ein stärkender Rückenwind, hilft uns durchzuhalten, schenkt uns einen längeren Atem, trägt, wo uns die Kraft verlässt. In der Bibel wird erzählt, dass der Mensch durch Gottes Geist, seinen Atem, lebendig wird. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gottes Geist uns immer weiter bewegt.

Unser irdisches Leben ist vergänglich, das macht jeden einzelnen Augenblick unendlich kostbar, weil er nie wiederkehren wird. In unserem irdischen und vergänglichen Leben ist aber schon das Unvergängliche angelegt, das Leben in Gottes Herrlichkeit, uns zugesprochen in unserer Taufe. Wir leben aus Gottes Barmherzigkeit heraus und auf Gottes Barmherzigkeit hin. Wir leben auf den Augenblick hin, an dem Gott selbst alle Tränen abwischen wird, der Tod besiegt ist und nur noch vollkommende Freude herrscht.

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth: Dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Er vergleicht den Tod und die Verwandlung zum ewigen Leben mit einem Samenkorn, das in die Erde gelegt werden und scheinbar absterben muss, damit es aufkeimen kann, und damit zeigt: Das Leben ist stärker als der Tod.

Dass das Leben größer ist als der Tod, zeigten uns in den vergangenen Wochen und Monaten auch die Menschen, die von vielen als „Helden“ gefeiert wurden und werden: Menschen, die im Geist der Liebe, der Besonnenheit und der Hoffnung handelten. Pflegekräfte, Ärzte, Einsatzkräfte, die trotz der Gefahr für sich selbst für andere da waren, bei uns und in Italien, Spanien, England, den USA, in Ländern, in denen die Todeszahlen im Frühjahr viel höher lagen und die Verhältnisse weit schlimmer waren als bei uns.

Die Unvergänglichkeit scheint dort auf, wo Menschen sich füreinander einsetzen, einander beistehen, Gemeinschaft und Leben fördern, und damit die Macht des Todes eindämmen und ihr eine Grenze setzen. Getrost dem Tod entgegengehen und -sehen kann, wer darauf vertraut, dass wir nach unserem Tod hier zu neuem, unvergänglichem Leben verwandelt werden: Er hat den Tod besiegt, erinnert der Briefschreiber Timotheus in Vers 10. Der Tod hat nicht das letzte Wort.

Geist der Besonnenheit, nennt Vers 7 das Getrostsein, Besonnenheit, Gelassenheit, die die Furcht in ihre Schranken weisen kann. Er hat den Tod besiegt: Dieser österliche Blick sieht mit Trauer und Wehmut den Tod und den Verlust, aber weiß sich auch getragen von Gottes Kraft, dem Heiligen Geist.

Den Menschen, an die sich der Schreiber des 2 Timotheusbriefs wendet, weht ein kalter und grausamer Wind entgegen: Der Geist der Furcht, denn sie werden verfolgt und müssen um ihr Leben und das ihrer Angehörigen fürchten. Der Verfasser des Briefes, der in Paulus‘ Namen schreibt, hat selbst sein Ende vor Augen: Er blickt dem Martyrium entgegen und schreibt im Brief an Timotheus sein Testament. Aber er spürt wie einen Rückenwind Gottes Kraft und schreibt einen Zuspruch auf, der seither unzähligen Täuflingen, Konfirmandinnen, Brautpaaren mit auf ihren Lebensweg gegeben wird:

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Angst, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Angst macht alles eng. Unser Herz schlägt schneller, unser Blick wird verengt auf das, was uns Angst macht und lähmt. Kraft heißt im Griechischen Dynamis. Wo vor Angst alles in mir erstarrt, kommt Bewegung auf, da zeigt Gott Wege auf, die ich nicht erkennen konnte. Der Geist der Liebe schenkt einen wachen Blick, ein offenes Herz für die Menschen, die ein gutes Wort, eine liebevolle Geste, ein Gebet oder eine hilfreiche Hand brauchen. Und umgekehrt ein waches und dankbares Herz für alle Liebe, die mir entgegengebracht wird: Für alle liebevollen Worte, mündlich und schriftlich, alle Anteilnahme, alle Hilfe in schweren Zeiten, allen Beistand und alle Fürbitte.

Uns wird von Gott zugetraut, dass wir uns im Umgang mit unseren Ängsten kompetent zeigen: im Geist der Besonnenheit. Besonnen und überlegt handeln, statt kopflos und panisch. Glaube verändert die Angst, auch die Angst vor dem Tod: Durch ihn wird der Angst eine Grenze gesetzt. Durch den Glauben wissen wir uns getragen, von Gottes Geist und von unseren Mitmenschen, die für uns eintreten, wenn wir selbst gerade zu schwach sind.

Gottes Geist gibt uns Rückenwind, stärkt uns dreifach mit Kraft, Liebe und Besonnenheit. Er hilft uns nicht aufzugeben, wenn wir müde und mutlos werden. Und er hilft uns, uns immer daran zu erinnern: Auch der Tod selbst hat eine Grenze. Er hat nicht die endgültige Macht über unser Leben. Wir sind von Gott gehalten und getragen, in diesem Leben und darüber hinaus. Fürchte dich nicht: Gottes Zuspruch hören wir 365mal in der Bibel. Jeden Tag dürfen wir uns davon tragen lassen.

Amen